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Übersetzung einer japanischen Schriftrolle  RSS feed
Forum Index » Japanisch-Deutsche Übersetzungen
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pixelparanoia



Joined: 24/01/2021 11:56:06
Messages: 2
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Hallo liebes Forum,

ich habe vor Jahren eine "Schriftrolle" (Ich bin mir sicher, dafür gibt es einen korrekten Ausdruck) aus Japan bekommen. Sie war ein Geschenk und meine Mutter hat sie mir damals in einen schönen Rahmen einsetzen lassen. Leider habe ich keinen Kontakt mehr zu der Dame, die die Schriftrolle mitgebracht hat, und ich bezweifle, das Sie sich noch erinnern kann, was sie bedeutet.

Ich habe schon verzweifelt versucht, die Zeichen auf Google Translate nachzumalen. Da ich keine Kenntnisse der japanischen Sprache habe, ist dieser Versuch aber kläglich gescheitert. Nach einer Stunde versuchen habe ich frustriert aufgegeben.

Jetzt meine Frage: Kann mir jemand helfen die Bedeutung der Rolle herauszufinden? Ich mag die Ästhetik und würde sie mir ggf. auch wieder aufhängen, aber ohne die Bedeutung zu kennen kommt mit das etwas albern vor.


image (Das Bild wird nicht richtig eingebunden )
http://fabianlang.com/IMG_2987.png

Liebe Grüße und danke!
Dan


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Joined: 24/05/2006 16:58:45
Messages: 1285
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Hallo,

es handelt sich hier nicht um Japanisch sondern Chinesisch. Ein erster Hinweis ist schon das Wort Peking/Beijing (北京) ganz links unten über dem Stempel.

Der Titel (ganze rechte Spalte) lautet in Langzeichen 八仙上壽 bzw. in Kurzzeichen 八仙上寿 (bāxiān shanɡ shòu) und bedeutet wohl laut Google soviel wie "eight immortals wishing longevity" oder "birthday wishes from the eight immortals". 組字詩 bzw. 组字诗 (zǔzìshī) bedeutet wohl soviel wie "Dichtung in zusammengesetzten Zeichen".

Die einzelnen Zeichen im Hauptteil (2x8 Zeichen) sind hier aus vielen Einzelzeichen zusammengesetzt, die normalerweise so nicht vorkommen.

Ich hoffe, das hilft dir vielleicht etwas weiter.

無知の知
pixelparanoia



Joined: 24/01/2021 11:56:06
Messages: 2
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Hallo!

Danke, das hilft mir schon ein bisschen weiter. Ich habe schon fast befürchtet, das es sich um was "touristisches" handelt. Aber vielen Dank für die Hilfe. Ich habe eine Kollegin aus China, vielleicht kann sie mir ja noch ein bisschen weiterhelfen. Ich war der festen Überzeugung, dass es japanisch ist
PerryWinkle


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Joined: 11/08/2008 11:25:49
Messages: 74
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Noch ein kleiner Tipp:
Es gibt bei LEO auch ein chinesisches Wörterbuch inklusive Forum. Dort treiben sich bestimmt einige chinesischsprechende Personen herum, die Dir bei Deiner Anfrage weiterhelfen können. (^^)
JPP


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Joined: 01/11/2011 13:22:17
Messages: 49
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Holla die Waldfee mein lieber Pixelparanoia, was Du da für einen Schatz ausgegraben hast (bzw. halt einfach bei Dir rumhängen hast)!

Das ist schon wirklich ein Kuriosum! Um etwas »Touristisches« handelt es sich dabei aber nicht, sondern um einen sogenannten Duìlián (對聯), einen speziellen Reim, der aus zwei parallel geführten Teilen besteht. Die finden meist Verwendung zum chinesischen Neujahr oder zu anderen freudigen Anlässen (z.B. Hochzeit etc.); es handelt sich dabei um eine Art ritualisierte »Zauberlyrik«, die Glück und Segen hinaufbeschwören soll, weshalb ich sowas gerne auch als »Glücksbeschwörungszauberspruch« bezeichne.

Das von Dir hier vorgestellte Duìlián ist aber nun wirklich besonders, denn finden hier keine herkömmlichen Schriftzeichen Verwendung, sondern eigens komponierte Zeichen (組字; zuweilen umgangssprachlich auch als »monströse Zeichen«/»Monsterzeichen« (怪字) bezeichnet). Diese Monsterzeichen sind nun kein einzelnes Zeichen im eigentlichen Sinne, sondern ganze (oder zumindest halbe) Sätze, die man sich erst einmal zusammenknobeln muss, wobei man dann auf Folgendes kommt:

(pro Monsterzeichen eine Zeile)

鍾離點石
把扇搖,
果老騎驢
走趙橋。
國舅手執
雲楊板,
湘子瑤池
品玉蕭。
洞賓背劍
清風客,
拐李提葫
得道高。
仙姑敬奉
長生酒,
彩和花籃
獻蟠桃。

Zhongli [Quan] verwandelt Steine [in Gold] und fächert sich Luft zu,
[Zhang] Guolao reitet auf seinem Esel nach [oder zu?] Zhao Qiao.
[Cao] Guojius Hand nimmt die Wolken und besteigt das Brett,
[Han] Xiangzi [sitzt am] Edelsteinteich und spielt die Jadeflöte.
[Lü] Dongbin schultert sein Schwert, Gast des feinen Windes,
[Tie] Guaili (eigentlich: Li Tieguai) trägt seinen Flaschenkürbis und erlangt das höchste Dao.
[He] Xiangu verschenkt den Wein [bzw. Schnaps] des langen Lebens,
[Lan] Caihes Blumenkorb bietet die Pfirsiche der Unsterblichkeit dar.

(Mit dem Guojiu-Satz und dem Dongbin-Satz bin ich ehrlich gesagt nicht wirklich zufrieden; könnte auch sein, dass sich in den Übersetzungen dieser beiden Sätze ein Fehler befindet – mir erscheint die Syntax hier zuweilen etwas merkwürdig; das könnte an dem Format liegen, das einige Freiheiten mit sich bringt)

Die paratextuelle Angabe, dass das Gedicht von den acht Unsterblichen handelt, ermöglicht meiner Ansicht erst überhaupt, dass man hier mit Knobeln etwas erreichen kann, denn weiß man dank dieser Information nämlich schon ungefähr worum es geht. Die acht Unsterblichen sind nämlich sehr bekannt in China. Sie sind wichtige daoistische Gottheiten, die auch im weit verbreiteten Volksglauben sehr populär sind, und haben allesamt ihre eigenen Attribute, wie z.B. die Jadeflöte etc., sodass man also erst einmal Namen und Attribute identifizieren und dann nach dem Ausschlussprinzip so langsam anfangen kann Sätze zu konstruieren. Es handelt sich also quasi um eine Art magisches Rätselgedicht, in dem jeder der Unsterblichen (darunter übrigens eine Frau) in einem Vers besungen wird.

Der Text ist übrigens mit Himmelsstamm und Erdzweig datiert (辛未), stammt also aus dem Jahr 1991 (oder 1931), älter wird der wohl kaum sein; ich nehme aber mal an aus 1991.

Vielen Dank Dir jedenfalls für die so spannende Lektüre!!
Ich beschäftige mich nun seit seit etwa 10 Jahren mit den Schriftzeichensprachen, habe in dieser ganzen Zeit aber noch nie einen graphisch so faszinierenden Text gesehen! (Ich hatte bisher nur Begegnungen mit einzelnen Monsterzeichen, nie mit einem ganzen Text aus mehreren Monsterzeichen – Dein Text war also eine wirkliche Horizonterweiterung! )


Liebe Grüße
JPP



胡蝶の夢
JPP


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Joined: 01/11/2011 13:22:17
Messages: 49
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Bei der Überprüfung musste ich gerade feststellen, dass ich mich beim Datum leider vertan habe. Nicht 「辛未」, sondern 「辛巳」 steht da ja. D.h. der Text ist aus dem Jahr 2001 oder 1941.

LG,
JPP

胡蝶の夢
JPP


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Joined: 01/11/2011 13:22:17
Messages: 49
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Da hat sich, wie ich leider feststellen muss, ein weiterer Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen.

Die Flöte schreibt man 箫 und nicht 蕭. Lesung ist aber identisch: xiāo

Außerdem fielen mir beim zweiten Blick auf die Übersetzung, ein paar Dinge auf:

1) »[Lü] Dongbin schultert sein Schwert, Gast des feinen Windes« ist sehr unglücklich formuliert, »[Lü] Dongbin trägt sein Schwert auf dem Rücken, [er ist] ein Wanderer im reinen Wind« gibt der Text auch her; es passt viel besser als Übersetzung und harmoniert darüber hinaus auch sehr viel besser mit der Person Lü Dongbins.

2) Der Guojiu-Vers ist vollkommen falsch übersetzt. 楊板 war das Problem – hatte ich nicht als ein Wort erkannt. Ich habe jetzt einmal genau die »Attribute«, genauer gesagt die 「暗八仙」, die numinosen Instrumente (法器), die mit den acht Unsterblichen jeweils in symbolischer Beziehung stehen, genau überprüft und dabei herausgefunden, dass 「楊板」 die Kastagnetten meint. Hier übrigens ein Überblick zu den 暗八仙 (Bilder): 

https://anywood.com/news/detail/34872.html

Daraus wird unter anderem deutlich, dass die eigentlich 「陰陽板」(Ying und Yang-Kastagnetten) heißen (eine Variante lautet übrigens 「玉板」(Jade-Kastagnetten). In dem entsprechenden Monsterzeichen Deines Textes steht jedoch nicht 「陰陽板」, sondern eindeutig「雲楊板」(wörtlich: Wolken und Weide-Kastagnette). 「楊」muss zwar nicht nur Weide heißen, sondern kann, gerade in einem literarischen Text, auch ein Substitut für「揚」sein, doch greift hier nun eine andere Regel; zumindest vermute ich das zu 99%. Zuweilen nimmt sich ein Künstler einfach heraus, Zeichen einfach rein phonetisch zu verwenden, also von ihrer eigentlichen Bedeutung zu lösen. 雲楊 und 陰陽 sind sich phonetisch sehr nah. Hier ist also nicht von Wolken und Weiden die Rede, sondern der – wie ja allein auch die Monsterzeichen an sich bekräftigen – äußerst verspielte Autor, schreibt »Ying und Yang« einfach mit anderen Zeichen. Der Vers lautet daher korrekt: »[Cao] Guojiu hält die Ying und Yang-Kastagnetten in seiner Hand«

Alter Schwede ist das aber auch ein Gehirnfick-Text. Wenn man solche Teile sammeln würde und zusammen herausbringen würde, bräuchte wahrscheinlich niemand mehr Kreuzworträtselbücher;)

LG,
JPP


胡蝶の夢
 
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