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Was ist Wadoku? – Fragemente einer Vision von lustvollen Spaziergängen in und an der Sprache  RSS feed
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JPP


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Joined: 01/11/2011 13:22:17
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Bekenntnis
Ich bin nur einer von den Epigonen,
die in dem alten Haus der Sprache wohnen.

Doch hab' ich drin mein eigenes Erleben,
ich breche aus und ich zerstöre Theben.

Komm' ich auch nach den alten Meistern, später,
so räch' ich blutig das Geschick der Väter.

Von Rache sprech' ich, will die Sprache rächen
an allen jenen, die die Sprache sprechen.

Bin Epigone, Ahnenwerthes Ahner.
Ihr aber seid die kundigen Thebaner!

– Karl Kraus: Worte in Versen II, 1917.


Die Gesundheit als Literatur, als Schreiben besteht in der Erfindung eines Volks, das fehlt. Es gehört zur Fabulierfunktion, ein Volk zu erfinden. Man schreibt nicht mit seinen Erinnerungen, es sei denn man macht sie zum kollektiven Ursprung und Ziel eines kommenden Volks, das noch dort, wo es verraten und verleugnet wurde, verborgen liegt. […] Obwohl sie stets auf einzelne Akteure verweist, ist die Literatur ein kollektives Äußerungsgefüge.

– Gilles Deleuze, Die Literatur und das Leben, 1993.




Was ist Wadoku? – Fragmente einer Vision von lustvollen Spaziergängen in und an der Sprache
oder
»Stell dir vor, es gibt einen Diskurs über die Sprache und alle gehen hin«

– eine Antwort auf Dans Kommentar und eine Vision für alle Wadokurianer –

Wadoku ist definiert als ein japanisch-deutsches Wörterbuch. Ich frage mich jedoch schon seit längerem, ob man Wadoku auf den Wörterbuch-Status beschränken kann. Im Vergleich mit anderen japanisch-deutschen Wörterbüchern lassen sich nämlich bedeutende Unterschiede feststellen: Erstens hat Wadoku eine äußerst große Anzahl an Mitarbeitern – wohingegen bspw. das Große Japanisch-Deutsche Wörterbuch quasi von einem Ehepaar im Alleingang hergestellt wird – und zweitens ist Wadoku, innerhalb der Kommentarfunktion, seit es diese gibt, nicht nur Wörterbuch, sondern auch Ort zahlreicher Diskurse: Diskurse darüber, wie ein Wort richtig zu übersetzen ist, Diskurse, die vielfältige Verbesserungsmöglichkeiten von Wadoku tangieren (ein breites Spektrum von salopp fomulierten Anmerkungen, kurzen Dialogen, Wortgefechten und Texten akademischen Gehaltes), Diskurse, die teilweise auch die Übersetzungs- und Verbesserungsproblematik zu transzendieren scheinen, dabei jedoch meist auf der Grundlage der exakten Erörterung spezifischer Implikationen des diskutierten Lemmas wieder den Bogen zurück zu den mit den erörterten Problemen in Resonanz stehenden Übersetzungsproblematiken spannen und dergestalt nicht selten auch in den Bereich der Sprachkritik hineinreichen, und nicht zuletzt zahlreiche Beispielsätze, deren Diversität Literatur, akademische Arbeiten, marginalisierte Sprachvarietäten, Humoresken, Tagespolitik anhand von Zeitungsbeispielen u.v.m. umfasst. In einem Wort: hier lebt die Sprache.
Vor allem aber lebt die Sprache auf Wadoku sehr viel mehr als es in einem klassischen Wörterbuch möglich sein kann, weil sie u.a. direkt »von der Straße« in Wadoku hereingetragen wird. Cassing und Stalph durchforsten sicherlich äußerst gewissenhaft irgendwelche 医学用語辞典 und vielleicht auch noch ein paar der entsprechenden Fachmagazine – auf Wadoku jedoch erstellen auch die Menschen Einträge, die in der Klinik selbst arbeiten und während dieser Arbeit Vokabeln begegnen, die Cassing und Stalph niemals zu Gesicht bekommen werden: die Straße ist immer lebendiger und scheller und nicht zuletzt ist der Artzt auch in Hinblick auf die Präzision der Übersetzung seines Fachvokabulars dem Literaturwissenschaftler überlegen. Das gilt natürlich für alle Bereiche: vom passionierten Arschlochliebhaber (irgendwer erstellt ja recht leidenschaftlich seit ungefähr zwei Jahren teilweise recht vulgäres Vokabular in Bezug auf Analsex und was so dazu gehört), den zahlreichen EDV-Menschen, die kontinuierlich Einträge hoher Akutalität erarbeiten, bis zum Zoologen der Zukunft, der während seiner Arbeit als Zoologe bemerken wird, dass ihm das dann abgeschlossene Große Japanisch-Deutsche Wörterbuch nicht immer weiterhelfen kann, sich das Vokabular dann selbst erarbeitet und es auf Wadoku hochladen wird. Die Vielfalt der Leben der Mitarbeiter wird Wadoku immer mehr Lebendigkeit verleihen, als ein klassisches Wörterbuch, das von so wenigen Händen, egal wie qualifiziert diese auch sind, erstellt wird, abbilden kann – Wadoku ist die Zukunft.

Die Japanologen selbst sind auf Wadoku ja leider nicht sehr aktiv. Es gibt da offensichtlich ein sehr zwiespältiges Verhältnis: einerseits vernimmt da Meinungen wie »Wadoku ist allenfalls in Hinblick auf seine hohen Nutzerzahlen von Interesse« (also als den Diskurs aktiv formendes Medium), andererseits funkelt die Eingabemaske von Wadoku nicht nur bei Studenten oder Animeliebhabern, sondern auch ständig auf den Smartphones von Japanologieprofessoren auf. Eine japanologische Historikerin sagte gar einmal – was ich ehrlich gesag kaum glauben kann, da Wadoku ja alles andere als verlässlich ist –, dass sie im Gespräch mit Kollegen einstimmig festgestellt habe, dass Wadoku das am häufigsten frequentierte Wörterbuch ihrer Zunft sei. Für den Japanologen ist Wadoku wohl eine andere Art von Straße: jeder geht über sie, doch nur wenige wollen so recht etwas von ihr wissen – man läuft nur auf ihr, um dann woanders arbeiten zu können. Zahlreiche schillernde Köpfe, die zusammen ein wahres »Wadoku-Wunder« bewirken könnten, doch sind sich viel zu viele dieser Köpfe wohl auch zu elegant dafür, auch sie, die Straße, aktiv verbessern zu wollen – die Straße gilt als dreckig. Gebaut wird nur im und am Turm. Mit größter Mühe zimmert der Japanologe an einer Stufe, an der einzigartigen und eigenen Stufe: das Eigentum. Einer artikuliert hehre Ziele von »universal knowledge and wisdom for all«, ein anderer will vielleicht nur Sinn im Elfenbein lesen, doch alle sind sie angewiesen auf die Karriere, die ihnen das Geld zum Leben sichert: in der Stufe ist immer auch der eigene Name und die Hoffnung auf eigenes Geld inskribiert. Die Japanologen arbeiten nicht für die Straße, denn gibt es dort nichts zu holen. Sie verschanzen sich im Turm und gefallen sich wohl in der Illusion, dass ihre Turmbücher tatsächlich andere Menschen interessieren würden – obwohl man diese in nahezu keinem Buchladen entdeckt, den man von der realen Straße aus begehen kann und die Japanologen doch gerade hier, auf Wadoku, etwas leisten könnten, dass so viel mehr Menschen Nutzen bedeuten würde. Auch wenn man hier nicht mitgehen möchte, kann man wohl uneingeschränkt festhalten, dass es ihre Turmbücher äußerst sinnvoll ergänzen könnte, denn kann »wisdom for all« seinen Ort nie in elitären Institutionen oder noch elitäreren Büchern haben, sondern nur dort, wo es alle bemerken können: auf der Straße, die nahezu alle benutzen: Wadoku, das Allgemeingut.

Sicherlich ist das Desinteresse der meisten Japanologen (Steineck als Ausnahme hinterlässt ja fast regelmäßig einen Kommentar) an Wadoku auch auf die geringe Qualität – das ist jetzt ausdrücklich nicht als Angriff, sondern als objektiver Fakt aus einer anspruchsvollen Perspektive gemeint – der Editionspraxis zurückzuführen. Ich erhoffe mir von meinen Beiträgen – die ich persönlich als den Versuch der Belebung und Kritik der Sprache sowie deren Übersetzung auffasse – jedenfalls die Qualität von Wadoku steigern zu können, wobei ich ebenfalls hoffe, dass, in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft, auch mehr Japanologen an Wadoku aktiv mitarbeiten. Den Vorwurf, dass ich hier »vollspammen« würde oder gar die Absicht verfolgen würde, die Kommentare zu monopolisieren empfinde ich aus meiner Perspektive heraus als sehr traurig. Vielleicht ist es noch eine Art 一人相撲 – ich sehe dennoch eine Vision, eine Vision, in der zahlreiche Menschen Wadokus Kommentarleiste mit immer mehr Beispielsätzen und kritischen Anmerkungen befüllen, die aus der Mannigfaltigkeit der ihr jeweils zugrundeliegenden heterogenen Begegnungsverhältnisse mit der japanischen Sprache heraus erwachsenen Einsichten eine Heimat geben könnten: Wadoku nicht als ein bloßes Wörterbuch, sondern als ein Ort des Denkens über Sprache, eine Diskussionskultur, die die Vielfalt der Hintergründe des Zugangs zum Japanischen in eine unbezwingbare Kraft zu verwandeln weiß, und dergestalt das Japanische und die ihm immanente Problematik angesichts der Übersetzung ins Deutsche auf bisher unbekanntem Niveau zu verhandeln vermag. Auch ein Ort, an dem der Handwerker, der sich eine japanische Vokabel erarbeitet hat, und der Linguist einander begegnen und einen gemeinsamen Diskurs hervorbringen können. Die Macht der Masse, das Wissen der Mannigfaltigkeit ihrer Leben: »Stell Dir vor, es gibt einen Diskurs über die Sprache und alle gehen hin.« – Wadoku als dieser Ort: die Straße, auf der die Wege des Seins der Sprache die Gänge ihrer Existenz entfalten können. In diesem wildem und vor allem lustvollen Spazierengehen entstünde das Volk der Wadokurianer als ein kollektives Äußerungsgefüge, das ich nur die Vision einer wunderschönen Zukunft nennen kann.

Diese Zukunft ist möglich. Auf Wadoku kann alles entstehen. Wieso sollte man die wakdoku'schen Diskurse denn eigentlich bezwingen wollen? Was gibt es da zu verlieren? Wadokus status quo ist, objektiv betrachtet, bereits mehr als ein Wörterbuch. Ich würde mir wünschen, dass man auch dieses Wadoku fördert und nicht versucht, es in künstliche Schranken zu weisen, die im virtuellen Raum doch eigentlich gar nicht notwendig sind. Ein erster Schritt dahin wäre z. B., dass man die Beschränkung der Wörteranzahl für Kommentare, die ja erst kürzlich eingeführt wurde, wieder aufhebt – damit sich hier die Diskurse wieder frei entfalten können.

Es gibt wohl seitens der offiziellen »Wächter des Diskurses« auf Wadoku gewisse Vorstellungen, wie Wadoku zu sein hat. Ich möchte hier als inoffizieller Nicht-Wächter nicht despektierlich erscheinen, sondern lediglich für das Potential von Wadoku appellieren. Dazu eine Collage aus (nur teilweise) modifizierten Toyota–Slogans:

»Mit weniger Wadoku sollten Sie nicht zufrieden sein«

»Einander besser verstehen.«

»Begeisterung in Wörtern.«

»Vertrauen Sie Ihrem Verstand.«

»Nichts ist unmöglich.«

»Get the feeling.«

Vielleicht ist das Feeling für das von mir gewünschte 改善 dabei schlussendlich am wichtigsten: das Feeling für ein gemeinsames Bewusstsein von Wadokus Potential als Ort, der die Kräfte der Massen für den Diskurs über die Sprache noch viel stärker entfesseln kann als es bisher der Fall ist.

So ein Ort erscheint mir persönlich nur zeitgemäß und wem die Visionen zu optimistisch erscheinen, stelle sich doch nur einmal konkret vor, was Wadoku für ein phantastischer Ort wäre, wenn die ganzen Leute, die aktuell vereinzelt und verstreut Sprachblogs mit Bezug auf das Japanische schreiben, dies in der Kommentarleiste von Wadoku machen würden. Das wäre eine Sprachzeitung für Menschen, die sich zwischen dem Japanischen und dem Deutschen bewegen, nicht ein einzelner Blog, von dem nur der etwas weiß, der ihn mal zufällig bei einer Recherche entdeckt hat. Dort würde eine Dichten, eine andere unterhaltsame Glossen schreiben, wieder ein anderer würde vielleicht versuchen, »Die Fackel« wieder aufleben zu lassen – man muss das ja nicht alles im Einzelnen mögen; es wäre jedoch wohl ein großer Schritt getan, wenn man es als ›Arbeit an der Sprache‹, die Wadoku bereichert, wertschätzen könnte. Und was würde dann nicht alles entstehen können? Wenn Wadoku erst einmal auch eine Sprachzeitung ist (Wadoku als Hybrid), würde es für immer mehr Leute attraktiv erscheinen, die dann auch noch mitarbeiten würden – und könnte Wadoku viele Menschen mit einem einem ausgeprägten Interesse nicht nur für Übersetzungsvorschläge des Japanischen, sondern auch für die Strukturen und Eigenheiten der Sprache selbst für sich gewinnen, würde Wadoku gerade dort wachsen können, wo es meiner Ansicht noch am meisten hapert, nämlich an der kritischen Perspektive auf die Sprache. (Auch jetzt ausdrücklich nicht als Angriff gemeint, haben ja nicht wenige Kommentare und auch Wortgefechte auf Wadoku u.a. aufgezeigt, dass es auf Seiten der Editoren zuweilen an Sensbilität gegenüber Gedankengängen mangelt, die mittels des Durchspielens von Variationen und Geschichte eines Ausdrucks – in gleichzeitig sowohl Ziel als auch Ausgangssprache – ein Gespür für spezifische Differenzen entwickeln, deren Berücksichtigung wiederum für eine adäquate Übersetzung sehr oft unerlässlich sind.) Wenn man mehr Leute hätte, die hier mitdenken, bedeutet dies letztendlich vor allem, dass Wadoku qualitativ besser wird. Was gut für Wadoku ist, müsste doch eigentlich im Interesse aller sein.

Ich denke, es ist angesichts der Möglichkeiten des Internets weniger produktiv, solche Ideen einfach als Quatsch abzutun, als sich auf ein Experiment einzulassen, oder auch einfach: die Zügel lockerer zu lassen und zu gucken, was hier so alles passieren kann. Einseitige Abwertung (»Vollspammen«) oder das Denken in scharfen Gegensätzen (hier ist Kommentarbereich, dort Diskussionsbereich) wird den Möglichkeiten von Wadoku meiner Auffassung nach nicht gerecht, sondern verneint sie von Vornherein durch ein nur allzu eng geschnürtes Korsett.

Es ist die Frage, wie die Form ein gutes Wörterbuch beschaffen ist. Ich plädiere für die Entgrenzung als produktive Erweiterung in den Kommentaren – was im Kommentar so alles passieren kann, erzählt uns ja u.a. die chinesische Philosophie: der gute Kommentar ist der, der sich emanzipiert. In dem Urteil über diese Frage der Form, spiegeln sich natürlich auch die persönlichen Haltungen wider: ist die gute Form die ruhige Form, die der Norm entspricht, oder darf es ein in den Kommentaren wucherndes und wildes Wörterbuch geben, Bewegungen, Wellen des Wissens, die nicht mehr nur bloße Information sein wollen, sondern auch zu einem gemeinsamen Surfen einladen wollen? Surfte man hier gemeinsam, ließe sich im Meer der Sprache unbegrenzt vieles entdecken. Gemeinsame Reisen in ein unbekanntes Meer der Sprache auf den Brettern der Kommentare, auf zu den »einsamen Inseln«, die Deleuze beschrieb; angeblich findet man dort ein kosmisches Ei. »Die Idee eines zweiten Ursprungs verleiht der einsamen Insel ihren vollen Sinn, Überbleibsel der heiligen Insel in einer Welt, deren Neubeginn auf sich warten läßt. Im Ideal des Neubeginns liegt etwas, was dem Beginn selbst vorausgeht, was ihn aufgreift, um ihn zu vertiefen und zeitlich zurückzuverlegen. Die einsame Insel ist die Materie des Unvordenklichen oder Tieferen.«

Im Mai 1920, in Charlottenburg, schrieb Richard Huelsenbeck einen wunderschönen Text, den er mit den klugen Worten »Man muß Dadaist genug sein, um seinem eigenen Dadaismus gegenüber eine dadaistische Stellung einnehmen zu können« einleitete – sollte sich heute, hundert Jahre später, nicht Wadoku die Frage stellen, ob das gegenwärtige Wadoku wirklich wadokurianisch genug ist, um als ein sein Potential ausschöpfendes Wadoku gelten zu können? Könnte man es angesichts der Tatsache, dass Wadoku ja wohl mindestens ebenso aktiv von Nicht-Editoren wie Editoren gestaltet wird, überhaupt als legitim bewerten, wenn Editoren kraft einer demokratisch nicht legitimierten Hirarchie – der dementsprechend auch keinen Anspruch auf die Repräsentation der Nutzer wie aktiven Mitgestalter eignet – hier einseitig befehlen wie Wadoku zu gestalten ist?

Ich fände es auf jeden Fall wünschenswert, wenn man die Räume, die Wadoku zur Verfügung stellt, nicht nur im Rahmen von einseitigen erfolgenden Befehlen versucht zu disziplinieren, sondern auch im Blick behält, was Wadoku jenseits irgendwelcher Bilder, deren »Rechtsanspruch« wohl vor allem darin besteht, dass irgendwer sie irgendwann einmal aufgestellt hat, leisten kann; es ist der Blick auf das »wilde Außen«, der wertvoll ist. Denn: »Es ist immer möglich, daß man im Raum eines wilden Außen die Wahrheit sagt; aber im Wahren ist man nur, wenn man den Regeln einer ›diskursiven Polizei‹ gehorcht, die man in jedem seiner Diskurse aktivieren muß.« (Foucault) Der Raum des Kommentars kann das Außen einladen oder versuchen es auszuschließen. Ich möchte hier die Frage an die Wadokurianer stellen, ob sie sich wünschen den potenten Raum der Kommentare, in dem Visionen zu Realitäten erwachsen können, zu disziplinieren oder frei wachsen zu lassen.

Ich schließe mit den Worten von Soul Scream (「蜂と蝶」) als Ausdruck meiner Hoffnung für die stärkere Wertschätzung des Wesens der Sprache und ein unserer Zeit zeitgemäßes Wunder auf Wadoku.

蔓延満遍なくばらまく羽ばたく詞に託した魂生きる
21世紀魅力に技量を加えすべてを魅了させ
夢中にさすプラス生きるヒントを足す
微かな世界観を快感へ繋ぐ扉
きっかけになるかけらを掴みな!
眠った才能を磨き財宝に・・・
起せ奇跡!21世紀

蝶のように舞いゆらりゆら蜂のように刺すブンブンバァ
蝶のように舞いゆらりゆら蜂のように刺すブンブンバァ


Beste Grüße
JPP

胡蝶の夢
JPP


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Ich muss gestehen, dass der obige Text aus einer Erregung heraus entstanden ist, die seinen Inhalt hier und da ohne Zweifel etwas verzerrt hat. Nun möchte ich versuchen, meine Perspektive auf Wadoku noch einmal weniger ausschweifend und v.a. konkreter zu erklären, auch um anschließend die Frage an die Wadokurianer zu konkretisieren.

Man kann Wadoku wohl in dessen 「正史」 (die Einträge) und 「外史」(Kommentare zu den Einträgen, Exponiertheit der Neueinträge) unterteilen. Das Forum etc. gehört ja eigentlich auch noch dazu – ich möchte jedoch »am Wort« bleiben und beziehe Forum, Wiki etc. daher nicht mit ein. Meine Perspektive auf Wadoku wäre, dass dessen 「正史」 halt nur ein Teil von Wadoku ist. Erst einmal möchte ich sagen, dass ich die 「正史」 selbst und damit also das, was ein konventionelles Wörterbuch beansprucht zu verzeichenen, nicht besonders interessant finde. Das liegt u.a. daran, dass die 「正史」 lediglich versucht, die Bedeutung eines Wortes statisch zu erfassen, also zu fixieren, was die »richtige Bedeutung« ist. Viel interessanter als das, was die »richtige Bedeutung« ist, ist ja doch aber eigentlich der Prozess, wie man zu der Meinung kommt, das etwas die »richtige Bedeutung« (oder eine der »richtigen Bedeutungen«) sei. Wadoku ist in seiner 「外史」voller Spuren von Wegen und Umwegen, die gegangen wurden, um zu einer guten Übersetzung zu kommen. Andere Wörterbucher verzeichnen nur ein Ergebnis, sind nur 「正史」, während Wadoku eine umfassende 「外史」aufweist, die zudem von so vielen Menschen mit so unterschiedlichen Perspektiven auf das Japanische geformt wurde, dass mit dieser 「外史」eine beachtenswerte Quelle vorliegt.

Am 08.05.2008 kommentierte jemand die Erläuterung zum Lemma 「常陸」mit »die Praefektur heisst offiziell IbaraKi. Ibaragi ist die verballhornte Version (da die Einwohner Ibarakis dazu neigen K als G, T als D etc auszusprechen)« – das ist erstens eine wertvolle Information, die ich nicht einmal im 日本国語大辞典 (zumindestens in der 精選版) finde, und zweitens gehen aus dieser Information methodische Implikationen hervor: nämlich, dass man beim Übersetzen von Lokalnamen überprüfen muss, ob es sich um einen Regionalismus oder die hochjapanische Version handelt. Das ist noch ein sehr einfaches Beispiel, Wadoku ist jedoch voll von solchen Anmerkungen, die übersetzungstheoretische Probleme reflektieren und dabei die unterschiedlichsten Informationen zusammentragen oder auch miteinander vermengen: hier entstehen auch höchstinteressante Begegnungen von Dingen, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Wadoku hat nicht selten etwas von dem Seziertisch Lautréamonts auf dem Regenschirm und Nähmaschine zusammenfinden – gerade das macht Wadoku unglaublich spannend. Und schließlich sind auch die Missverständnisse, von denen sich auf Wadoku ja auch sehr viele finden, wertvoll, denn erzählen sie ex negativo, wo Schwierigkeiten des Übersetzens vom Deutschen ins Japanische liegen. Und das nicht abstrakt, sondern immer an konkreten Beispielen. In ihrer Gesamtheit ist Wadokus 「外史」daher eine einzigartige Quelle. Ich denke auf jeden Fall, dass es für andere gewinnbringend sein könnte, wenn man Wadokus 「外史」ein wenig mehr werschätzen und auch zugangsfreundlicher gestalten könnte. Aktuell kann man dort ja nur sehr schwer überhaupt herumblättern, zudem ist der älteste einsehbare Kommentar von 2007, obwohl es die Kommentarfunktion ja seit 2001 geben soll. Heißt das eigentlich, dass die Kommentare nach gewisser Zeit automatisch gelöscht werden? Ich hoffe, irgendwer bewahrt die auf. Diese 「外史」oder diese「街談巷説」sind nämlich wie gesagt ein einzigartiges Juwel der Übersetzungsgeschichte des Volkes und zugleich eine Art surrealistische Montage. Man interessiert sich ja schon seit längerem mit gesteigertem Interesse für das Vulgäre, weil man eben irgendwann endlich einmal gemerkt hat, dass das Elitäre allein viel zu vulgär ist. Irgendwann wird ein Historiker Wadokus 「外史」vielleicht untersuchen wollen.

Fernerhin ist Wadoku ja bereits jetzt auch schon etwas wie eine Zeitung. Für mich ist es das auf jeden Fall, gerade da ich Wadoku, wie ja wohl niemand der aktiven Mitarbeiter, dafür nutze, um zu wissen, wie die Bedeutung eines Wortes ist. Wenn man eine strukturalistisch inspirierte Perspektive auf die Sprache hat, sie also als ein immanenter Logik folgendes Gefüge auffasst, kann man die »Bedeutung« ja zudem nur ermitteln, indem man die zahlreichen Relationen zu ähnlichen Ausdrücken, anderen Elementen eines gemeinsamen Wortfeldes und auch den Antonymen in sowohl synchroner als auch diachroner Achse durchspielt und dabei dann versucht die spezifische Differenz eines Wortes zu ermitteln, die wir einfach »Bedeutung« nennen. Zudem muss man auch noch beachten, was für zusätzliche Bedeutungsschichten der Diskurs um das Wort diesem selbst eingeschrieben hat. Ein gutes Beispiel ist sicherlich der Begriff 「吾輩」: Wenn das einfach nur ① 「われわれ(我我)」の意で男性が用いた。われら。② ①から転じて、単数に用いる。われ。私。余。bedeuten würde, hätte ein Übersetzungsgenie wie Otto Putz wohl nicht so lange darüber nachdenken müssen, wie man das übersetzen kann. Das hat er aber und sein kongeniales Ergebnis war »Gestatten…ich«. Heute ist die »Bedeutung« von 「吾輩」 nun ja aber gerade die, dass man mit diesem Begriff auf 漱石s Titel anspielt, die »Bedeutung« von「吾輩」ist also dieses evokative Potential selbst, denn gibt es wohl keinen Japaner in der Gegenwart der 「吾輩」hört und dabei nicht zuallererst an 『吾輩は猫である』 oder eine der zahlreichen Parodien von Literatur bis Werbung denkt. Deswegen ist auch der Eintrag auf Wadoku zu 「吾輩」in Bezug auf das Gegenwartsjapanisch falsch: kein arroganter Unterton, sondern ein lustiger Unterton eignet diesem Begriff – weil der Diskurs um das Wort nämlich bedingt hat, dass es sich von seiner ursprünglichen Identität gelöst hat. Derartige Dynamiken der Sprache bedenken die Übersetzungen auf Wadoku jedoch meist nicht mit und u.a. deswegen kann man mit Wadokus 「正史」in vielen Fällen nur sehr wenig anfangen.

Spannend an Wadoku empfinde ich jedoch gerade, wie hier verschiedene Dinge aufeinandertreffen. Deswegen nutze ich Wadoku als Ergänzung meiner Lektüre und verstehe Wadoku auch als eine Art »interaktive Zeitung«. Da erstellt man einen Eintrag, z.B. 「シビックハッカー」, woraufhin ein anderer den Eintrag 「シビックジャーナリズム」erstellt, den man selbst dann mit 市民ジャーナリズム kommentiert, woraufhin dann wieder ein anderer 「ネチズン」samt seiner Synonyme anlegt. Das ist nicht nur Kommunikation, das ist kollektive Intelligenz. So lernt man manchmal sogar neue Wörter, auf die man alleine gar nicht gekommen wäre. Spannend daran empfinde ich aber vor allem, dass es absolut kontingent ist, wer was wie aufgreift – das, was die Surrealisten mit ihrer écriture automatique versuchten zu verwirklichen, ist auf Wadoku auf gewisse Weise Realität: hier entstehen neuartige Verbindungen, die sich ja auch keinesfalls immer nur innerhalb eines Wortfeldes ereignen, und vielfältige Entgrenzungen zeitigen. In diesen Entgrenzungen sehe ich die eigentliche Attraktivität von Wadoku. Und ich mache hier nicht nur mit, um Wadoku etwas zurückzugeben, sondern auch, weil mich das Mitmachen unterhält und bildet und ich auch andere unterhalten und bilden möchte.

Wie gesagt denke ich, dass gerade in den Kommentaren ein potenter Ort vorhanden ist, unter anderem, weil es da mit den Entgrenzungen und Metadiskursen eigentlich erst so richtig losgeht. Schade finde ich, dass der Kommentarraum versucht wird zu diszipliniern. Gestern legte ich z.B. den Eintrag 「メイク男子」 an. Was ist denn die »Bedeutung« von 「メイク男子」? Ich hätte eine Perspektive darauf gerne mit folgendem Zitat aus einer Zeitung der Gegenwart kommentiert:

»Eigentlich schminke ich mich einfach, weil es mir gefällt, meinen Körper und mein Aussehen zu gestalten. Ich sehe es aber auch als politischen Akt. So helfe ich auch, aktiv mitzuhelfen, die Abwertung und Sexualisierung vermeintlicher ‚Weiblichkeit‘zu bekämpfen und neu zu prägen.«

Ich habe mich aber nicht getraut, das zu tun, weil hier ja von »Oben« die Aufforderung kam, dass man weniger kommentieren solle. Da Wadoku ja nun aber auch ein Ort kollektiven Denkens über Sprache ist, denke ich, dass es angemessener wäre, wenn man hier gemeinsam diskutiert, wie die Kommentare zu gestalten sind. Wie sind denn nun die Meinungen der Wadokurianer zu den Kommentaren? Ich für meinen Teil gestalte die manchmal ja gerne mit etwas ausführlicheren Anmerkungen oder auch gerne mit Zitaten, die nicht selten einen politischen Bezug haben; daher zum Jahrestag der Kriegserklärung (leider mit einem Tag Verspätung; ich hatte leider nicht gut auf die Uhr geschaut) z.B. das Zitat 「抑々東亞ノ安定ヲ確保シ以テ世界ノ平和ニ寄與スルハ丕顯ナル皇祖考丕承ナル皇考ノ作述セル遠猷ニシテ朕カ拳々措カサル所而シテ列國トノ交誼ヲ篤クシ萬邦共榮ノ樂ヲ偕ニスルハ之亦帝國カ常ニ國交ノ要義ト爲ス所ナリ」unter dem Lemma 「世界の平和」. Ich denke, es gehört zur »Bedeutung« der Sprache dazu, zu wissen, wie Sie benutzt wird bzw. benutzt wurde. 永井荷風schreibt übrigens drei Tage nach der Kriegserklärung eine bemerkenswerte Notiz in sein Tagebuch:

「義勇奉公などいふ語も今は意義なきものとはなれり。凡て人間の美徳善行を意味する言語文字はその本質を失ひて一種の代用語となり終われり。あたかも人絹スフの織物の如し。」

Man kann das Bewusstsein für auch diesen Charakter der Sprache, der ja auch heute noch aktuell ist – man denke nur an Vokabeln wie 積極的平和主義 –, in den Kommentaren von Wadoku schärfen, mit den unterschiedlichsten Mitteln, u.a. mit Zitaten und ausführlichen Kommentaren. Ich versuche neben methodischen Bemerkungen, und dem Erinnern daran, das man das Japanische häufig nicht so einfach übersetzen kann, wie es manchmal auf den ersten Blick scheint, auch das zu leisten und fände es sehr schön, wenn sich auch in diesem Bereich eine kollektive Intelligenz entfalten könnte. Das Potential dafür ist auf Wadoku ja gegeben. Eine Meinung dazu war jedoch, dass das tendenziell nicht gewünscht ist. Meine Antwort war, dass das nicht einer alleine, sondern das Kollektiv entscheiden solle. Gibt es denn im Kollektiv eine Meinung dazu?

Beste Grüße,
JPP

胡蝶の夢
 
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