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  • Der Raum (Alexander Gosztonyi, 1976)
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Gosztonyi, Alexander (1976): Der Raum. Freiburg; München.

Seite: 1254-1259

3. Was ist der Raum?

a) Problemstellung

(1) Wenn man - wie der Verfasser - der Überzeugung ist, daß die Welt nur in wenigen ihrer Schichten oder Spähren rational beschreibbar ist, so muß man selbst in eine relativ nüchtern gehaltene Untersuchung über den Raumwenigstens einige Gedanken über die "tansrationale Seite" der Welt miteinbeziehen. Die Schwierigkeit ist allerdings, daß die fragliche "Seite" der Welt nur durch Hinweise und Andeutungen näher gebracht werden kann, denn in ihrem Wesen entzieht sie sich jeglicher Rationalisierung und daher auch einer Beschreibung, die etwa der mathematischen Klarheit Genüge tun könnte.

(2) Der Mensch hält auch zu wenig Bausteine oder "Indizien" in der Hand, um dem Wesen des Raumes hinreichend auf die Spur zu kommen. Es gibt nur Erlebnismomente - von denen einige vorhin geschildert wurden - oder dann ein Gefühl für gewisse "Hintergründe" der Welt, die erlauben, Aussagen über das Wesen des Raumes zu versuchen. Das in diesem abschließenden Abschnitt bisher Gesagte und das folgende soll darum als Anregung verstanden werden. Vermutlich kann man in den hier angezeigten Richtungen weiterforschen.

b) Raum und Raumstruktur als "Schwingungs"-Phänomen

(1) Wenn man annimmt, daß der Raum"Schwingung" ist, so will man damit nicht sagen, daß er eine gedankliche ermittelte, "logische" Voraussetzung dafür ist, daß "Schwingung" - die ja Raum"beansprucht" - überhaupt vorkommen kann. Er ist - auch methodisch - von der "Schwingung" nicht "abtrennbar", das heißt aber, er ist "Schwingung". Was ist aber diese "Schwingung", die zugleich Raum ist?

(2) Man kann zunächst sagen: Raum ist "reine Konduktivität". Die Tatsache, daß "Schwingung" sich "ausbreiten", über "sich" hinaus wirken, sich verändern und sich wandeln kann, beruht auf ihrer "Eigenschaft" der "Konduktivität". Der Raumbraucht dabei nicht als bloßes "Medium" verstanden zu werden, das für die "Schwingung" und ihre "Ausbreitung" vorausgesetzt werden muß, sondern er entsteht mit der "Schwingung" und ist ein Aspekt - besser: ein "Wesenszug" - derselben. Es möge dies zunächst dahingestellt bleiben.

(3) Das Räumliche des Raumes - wenn man diese Paradoxie hier verwenden darf - entsteht aber dadurch, daß die "Schwingung" dauernd Frequenzänderungen unterworfen ist bzw. solche hervorbringt und aus solchen besteht. Um es nun unphysikalisch auszudrücken: je "dichter" die Frequenzen sind, desto eher kommen sie in den Wahrnehmungsbereich des Menschen. Elektromagnetische Wellen, die verschiedenen Energie-Wirkungen - darunter auch die die Atome "formende" Kernenergie (die Schrödingerschen "Wellenpakete"), also letztlich die Materie selbst in ihren beiden Erscheinungsformen als Masse und als Energie -, vermutlich aber sämtliche Phänomene des psychischen und des geistigen Lebens sind auf die verschiedensten Frequenzen der einen alles belebenden und alles tragenden "Schwingung" zurückzuführen - ein Gedanke, der vielleicht in absehbarer Zeit verifiziert werden kann. Daß ferner die verschiedenen Frequenzen "ineinander" liegen können, braucht man nicht eigens zu erwähnen, dies leuchtet schon auf Grund der Elektrizitätslehre ohne weiteres ein (z.B. gleichzeitige Gespräche durch eine Telephonleitung auf verschiedenen Frequenzen).
Man kann nun annehmen, daß die formal faßbare Raumstruktur bei einem bestimmten "Verdichtungsgrad" der "Schwingung" - also bei "dichteren", niedrigeren Frequenzen - ensteht. Dann wird der Raum "zähflüssig", die Konduktivität "friert" immer mehr ein. Je "grobstofflicher" die Energie bzw. die Wirkung wird, um so "dichter" wird auch der Raum, die Distanzen in ihm müssen überwunden werden und ihre Überwindung kann nicht "von selbst" geschehen: der Raum wird - in einem gewissen Sinne - zum Hindernis.
Kann man auf "höhere", weniger dichte Fequenzen "umschalten", so wird man von Raum - von der Konduktivität- gleichsam getragen; dies geschieht bei den rein psychischen Raumerlebnissen. Das Erlebnis der Unendlichkeit beruht beispielsweise auf dem Erlebnis des Raumes als "reiner Konduktivität", denn als solche ist der Raumohne Grenze. Aber noch "mehr" kann im Erlebnis sein: denn "Unendlichkeit" bedeutet zugleich die Unerschöpflichkeit einer Energiequelle. In diesem Erlebnis erfährt der Mensch die "reine Schwingung" und darum ist dieses Erlebnis immer auch ein transrationales, metaphysisches, ja religiöses.
Von "innern" "sieht" also die Welt so "aus", daß sie aus "Schwingung" verschiedener Frequenzen besteht. Von "außen" her - also in der Sicht des leibgebundenen Menschen - erscheint sie als eine räumliche Größe mit lückenlos durchgehenden, differenzierten Raumformen, also mit einer ausgeprägten, festgelegten Raumstruktur. Daß sowohl der Raum selbst als auch die Raumstruktur Wandlungen (der Raum) und Veränderungen (die Raumstruktur) unterworfen sind, "sieht" man von "außen" nur in sehr beschränktem Maße, von "innen" aber - "wo" der Mensch Raumund Raumstruktur psychisch erlebt - ist dies offensichtlich. Vielleicht zeichnet sich dabei einer Art Entwicklung ab, dies wäre dann der Fall, wenn die "Schwingung" letzten Endes die urtümliche Ausdrucksweise des einen, alles umfassenden und alles in sich begreifenden, Bewegung, Veränderung und Wandlung hervorrufenden und lebenspendenden Bewußtseins wäre. Der Raumwäre dann der Ausdruck für die Intention dieses Bewußtseins zur Manifestation in Vielfalt, d.h. zur Individuation (in Ding, Lebewesen und Mensch), also zur Fülle. Raum als Konduktivitätist dann jener Wesenszug des Bewußtseins, der die Ausgestaltung seiner Selbst in der Individuation nicht bloß ermöglicht, sondern auch mitvollzieht.

c) Raum und Zeit

(1) Die Untersuchung hat auch gezeigt, daß das Zeitmoment für die jeden Aspekt des Raumes eine mehr oder weniger große Rolle spielt. KeineRolle scheint die Zeit bei dem rein psychischen Raumerlebnis - z.B. dem Erlebnis der Unendlichkeit - zu spielen. Dies ist aber nur Schein. Denn was ist die Zeit, wenn der Raum Konduktivität ist?

(2) Die Zeit ist nicht nur ein "Strom", eine "Dauer", ein "Dahinfließen". Auch die Zeit hat einen "inneren" Aspekt. Im Gegensatz zum Raum, der von "innen" her eher als Bewegung und Wandlung erscheint, ist die Zeit von "innen" her etwas, was die Ereignisse "auffängt". Man kann sie als "Rezeptivität" ansehen. "Rezeptiv" ist die Zeit in dem Sinne, daß in ihr das vorher kompakt, gewissermaßen "zeitlos" Vorhandene "ausgefaltet" wird. (Man kann sich ein aufgerolltes Band - Filmband - denken, das man auseinanderrollen, dann wieder zusammenrollen kann. Die Zeit ist die Möglichkeit des Aus- und Einrollens.) "Ausgefaltet" wird beispielsweise ein menschliches Leben, das Leben oder das Schicksal eines Voles (Aufstieg, Blüte, Zerfall), vermutlich jede Periode der Erde (auf der sich eine "Evolution" vielleicht in je abweichender Gestalt schon öfters abgespielt hat). Wenn es zutrifft, daß jedes Schicksal in groben Zügen von vorneherein festgelegt ist, so kann man sich dies nach der Art eines Päckchens (Filmes) vorstellen, das bei der Realisierung des Schicksals - als Leben eines Menschne, eines Volkes, der Menschheit -"ausgefaltet" wird. Die Zeit als "Rezeptivität" nimmt es auf, es bleibt daher nicht verloren und vergeht nicht (man kann bildlich sagen: es wird wieder "zusammengerollt"). Die Ereignisse "vergehen" nur in der äußeren Perspektive, also im irdischen Leben. Das ganze Leben aber wird aufgefangen - und das "aufgefangene Medium" ist die Zeit. Die Zeit ist - von "innen" her gesehen - "stabil": um es bildlich zu formulieren: sie "archiviert" die Ereignisse. Darum gilt auch für die Zeit, was für den Raumgilt, daß nämlich das psychische Erlebnis der Zeit völlig anders ist als das Erlebnis der siderischen "Uhr"zeit. Das psychische Zeiterlebnis läßt wiederum das Wesentliche erahnen, namentlich daß die Zeitrelationen überaus relativ sind und die Zeit selbst in gewissem Sinne nicht "vergeht".

(3) Der Raum kann - in dieser Perspektive - keine "erstarrte" Zeit sein. Der Raum"öffnet" der Zeit bei der "Ausfaltung" der Ereignisse die "Welt": er "schafft" die nötigen Frequenzen der Zeit herbei. Die Zeit "stabilisiert", der Raumläßt "entfalten". In der irdischen Sicht erscheint alles verkehrt, dort scheint die Zeit die "Auseinanderfaltung" zu betreiben, un der Raumist der stabile "Hintergrund", auf den das zu Entfaltenden hinausverlegt wird. Dies erscheint darum so, weil auf der Erde die Raumstruktur für den Raum un der Ablauf der Ereignisse für die Zeit gehalten wird. Aber die Ereignisse werden nicht vom Raum "empfangen", "rezipiert", so daß sie nicht mehr vergehen können, sondern von der Zeit. Es ist vielmehr der Raum, der die Veränderungen und Wandlungen herbeiführt, die dann die Spuren der "Ausfaltung" auf der Erde verwischen können und auch verwischen. Bildlich gesprochen: Der Raum "zeiht sich zurück" bzw. "zusammen" und das "Aussehen" der Welt der Dinge ändert sich.

(4) Diese Andeutungen können nur dann - zumindest als mögliche Hypothesen - akzeptiert werden, wenn man die Welt als die "Ausfaltung" und "Ausgestaltung" des einen Bewußtseins versteht, wobei Raumdiese Entfaltung - und vielleicht Entwicklung - durch Veränderungen und Wandlungen der "Schwingung" bzw. ihrer Frequenzen "führt", so daß er Konduktivitätist, und die Zeit sie "auffängt" und wahrscheinlich sogar "konserviert" bzw. "archiviert", so daß sie "Rezeptivität" ist. Wenn aber der Mensch ganz in sein "Innerstes" hineinfühlt, so erfährt er, wie Raumund Zeit tragende Momente auch seines inneren Lebens sind, die ihn mit dem großen kosmischen Ereignis - genannt "Welt" - verbinden und ihn zu einem integrierten Teil des Alls machen.
Gewißt, das hier Vorgelegte ist "Metaphysik". Will man aber über das Sammeln von Daten und die Beschreibung rein materieller Zusammenhänge hinausgehen und allen - auch den nicht unmittelbar zugänglichen - Phänomenen der Welt gerecht werden und der Wahrheit näher kommen, so muß man sich über die streng empirische Aussagen hinauswagen. Und auch nach dieser Untersuchung und nach diesen letzen Ausführungen bleibt von Raum und Zeit - wie letztlich von allem, was dem Menschen begegnet - ein beträchtlicher Rest von Geheimnis.

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