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2. Zusammenfassendes Fazit

Die Wissenschaft, der wissenschaftliche Blick auf die Welt, hat in den letzten Jahrhunderten viel entdeckt, erklärt und verständlich machen können. Dabei galt und gilt: Je präziser eine Aussage sein soll, desto genauer und enger muss zuvor definiert werden, was Sache ist und wie sie begrifflich zu fassen sei. Doch je stärker durch die Wissen-schaft der mikroskopische Blick ins Kleine und der kosmologische ins Grosse geschärft worden ist, desto mehr geriet der Sinn fürs Ganze und die Zusammenhänge zwischen den in immer kleinere Stücke „sezierten" Einzelteile verloren.

2.1 Welt als Gegenüber des Menschen

In der vorliegenden Studie wird zunächst dieser Weg zur zunehmender „Atomisierung und Individualisierung der Welt" in geraffter Form zurückverfolgt, und zwar in den Wissenschafts-disziplinen der Philosophie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Physik sowie Geschichts-/Kunstwissenschaft. Dabei werden relevante wissenschaftliche Modellvorstellungen und die sie prägenden Weltbilder herausgearbeitet.

In den Weltbildern zeigen sich ja auch Menschen- und Ge-schichtsbilder, Vorstellungen über die Beziehungen zwischen Ich und Welt, Zeit und Raum. Je nach Auffassung dieser Beziehungen erkennt man unterschiedliche Raumbilder, Vorstellungen der Relationen von Menschen, Lebewesen und sozialen Gütern untereinander und zum Raum. In der bisherigen Literatur werden hier meist drei Raumauffassungen genannt:

  • Die absolute (Raum und Körper dualistisch gesehen und Raum als von Beobachtern, Objekten sowie physikalischen Abläufen unabhängiger Behälter verstanden).
  • Die relative (Raum als Ergebnis der Struktur der relativen Lagen der Körper und Leib als Garant der Erfahrung räumlicher Qualitäten).
  • Die relationale (Raum als netzartig-polyzentrisches Relationen-gefüge, als gleichzeitiges Nebeneinander materieller Stellen).

Diesen Raumauffassungen kann man bestimmte Denker und Denk-richtungen zuordnen und deren Entwicklung in eine zeitliche Abfolge bringen. Doch ein Blick in die Gegenwart zeigt, dass - zumal weltweit gesehen - diese Raumverständnisse nicht zu betrachten sind als nacheinander gültige, sondern als nebeneinander wirksame. Ein ähnliches Nebeneinander kann beispielsweise bei der Entwicklung der Physik beobachtet werden. Denn die Grundüberlegungen der Quantentheorie zu Raum und Zeit, zu Energie, zu Information und Masse haben zwar den Erkenntnishorizont verglichen mit früheren Modellen wesentlich erweitert, die Richtigkeit der Aussagen der klassischen Physik in ihrem beschränkten Geltungsraum jedoch belassen.

Wenn man nun „den Raum" als Stufenraum definiert und so die Geltungsbereiche für bestimmte Theorien räumlich statt zeitlich aufbauend betrachtet, so kann man die These aufstellen, dass aktuelle Probleme der Wahrnehmungs- und Erklärungskraft gewisser wissenschaftlicher Modelle, vor allem im Bereich der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, weniger mit bestimmten, durch wissen-schaftlichen Fortschritt behebbaren Mängeln zu tun haben, als vielmehr mit grundlegenden Begrenzungen und so mit den weltanschaulichen Grundlagen der Modellbildung. Diese These wird - bezogen auf ganzheitliche Nachhaltigkeit - durch die vorliegende Studie bestätigt.

Das grundsätzliche Hinterfragen solcher Zusammenhänge nahm im Vorfeld der Erarbeitung dieser Studie ihren Ausgang bei Beobachtungen, die bei der praktischen Umsetzung der Idee der Nachhaltigen Entwicklung in Unternehmen gemacht wurden. Dort entstand die Vermutung, dass gerade in den Wirtschaftswissen-schaften auf der Ebene der Modelle und Weltbilder Begrenzungen vorhanden sind, welche die Umsetzung solch komplexer Ideen behindern. So behandelt die Studie zunächst mögliche Begrenzungen von wissenschaftlichen Modellen, insbesondere in der Soziologie, Betriebswirtschaftslehre und (Kunst-)Geschichte.

Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften wird diesbezüglich das für den deutsprachigen Raum wichtige St. Galler Management-Modell kritisch betrachtet. Hier zeigt sich, dass die es prägenden Vorstellungen explizit in der Tradition der retiv-polyzentrischen Sozialsystem-Modellierung und des relationalen Raumverständnisses stehen, weshalb diese dann vertieft behandelt werden.

Unterschiedliche Raum- und Systemauffassungen führen zu je anderen Akzentsetzungen bei der Betrachtung von verknoteten, polyzentrischen Netzwerken: einerseits neigen diese eher zur Beton-ung des Knotens (zum Beispiel harte, messbare Faktoren in Wirtschaftswissenschaften, Individuum in Soziologie, Atome und Teilchen in Physik, Künstler/Einzelwerk in Kunstgeschichte); andererseits befassen sie sich mehr mit den Beziehungen zwischen den Knoten (beispielsweise weiche Faktoren in Wirtschaftswissen-schaften, Kommunikation/Interaktion in Soziologie, Wellen/Felder in Physik, Stimmung/Raum in Kunstgeschichte).

Diese Akzentuierungen der Betrachtungsweise in ein „Sich-Gegenüber-Treten" und ein „Sich-Verbinden-Können" der Dinge zeigen sich in vielen Themenbereichen, so etwa bei den Beziehungen vom Ich zur Umwelt, vom Individuum zur Geschichte/Ver-gangenheit, vom Wort/Bild zu den Dingen, vom Innen zum Aussen von Menschen und Objekten. Das in dieser Sichtweise fortschreitende Zergliedern der Welt ist auch auf organisatorischer Ebene beobachtbar, so in der Spezialisierung in immer neue Fächer und Teilbereiche des Wissenschaftsbetriebs oder in immer feinere Auf-teilung in Profit-Center in der Wirtschaftspraxis. Interessanterweise hat die Frage von „Raum und Organisation" in der bisherigen wirtschaftswissenschaftlichen und soziologischen Literatur eher wenig Beachtung gefunden. Gerade deshalb werden die Auswirkungen des Raumverständnisses auf Organisationsformen (Strukturen, Prozesse) in dieser Studie ausführlich behandelt.

Das derart Aufgetrennte wieder zu verbinden ist immer mehr Aufgabe von „Kommunikation" geworden - und gleichzeitig zu deren Kernproblem. Denn in Kommunikation und Marketing führt das Auseinaderdriften des kommunizierten Wortes und Bildes einerseits und dem Unternehmensleben andererseits zu Problemen hinsichtlich Authentizität und Glaubwürdigkeit. Viele Firmen und Führungskräfte „kommunizieren" heute nicht „einfach" durch ihr Reden und Handeln, sondern lassen sich dabei beraten und unterstützen durch Fachpersonen der Bereiche Public Relations, Public Affairs, Sponsoring und des Event- bis Viralmarketing. Diese Spezialaktivitäten werden dann weitervermittelt von Journalisten, Massenmedien sowie vom Internet. Und da nun diese „Vermitteltheit der Vermitteltheit" das Problem der Echtheit und Glaubwürdigkeit verstärkt, wird das wiederum zum Anlass genommen, weitere Spezialisierungen vorzunehmen, indem sich Firmen explizit mit ihrer Reputation befassen, um mit „Corporate Governance" und „Wirtschaftsethik" Glaubwürdigkeit zurück zu  gewinnen.

Doch es gibt auch Gegenbewegungen. So versuchen die Vertreter der gesellschaftspolitischen Leitidee der Nachhaltigen Entwicklung seit Jahrzehnten, der Tendenzen hin zu einseitiger Individualisierung, Atomisierung und Autonomisierung von Menschen und Dingen entgegenzutreten und das Verhältnis des Menschen zu Raum und Zeit wieder integrierter und langfristiger zu gestalten. Der Erfolg dieser Idee stellt sich aber eher langsam ein, wofür die vorliegende Studie die Gründe herauszuarbeiten sucht. Dabei stösst sie, wie erwähnt, bis auf die Ebene der Weltbilder vor und kommt zur Erkenntnis, dass diese vermehrt in die Diskussion einbezogen werden müssen, wenn es darum geht, wissenschaftliche Modelle auf ihre Nachhaltigkeits-Tauglichkeit zu prüfen. Denn weil sich das laufend vermehrende Spezialwissen und die daraus abgeleiteten Regelungen einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung erheblich im Wege stehen, muss die Studie den Finger auf die zugrunde liegende Problematik der Beziehung zwischen den Teilen und dem Ganzen legen. Ins Abstrakte und Weltbildliche gehoben heisst dies, sich grundsätzliche Gedanken zu machen zum Verhältnis von Ich-Welt, System-Umwelt etc.

Die Studie stellt dieses Problematik aber nicht nur fest, sondern macht konkrete Vorschläge, wie das Welt- und Raumverständnis weiter-entwickelt werden kann, erarbeitet dabei aus den drei bisherigen, oben genannten Raumvorstellungen eine vierte, nämlich die „ortsorientiert-ganzheitliche", in der Studie „topisch-henadisch" genannte Raumauffassung.

2.2 Vom Raum zum Lebensraum

Ausgehend von raumphilosphischen Vorstellungen aus Japan, die in den beiden schon veröffentlichten Buchpublikationen dieser Trilogie (Pfister 2004/1 und 2005/1) ausführlich behandelt und verarbeitet worden sind und analog zu Kernvorstellungen der Quantentheorie stellt die vorliegende Arbeit den feldhaft verstandenen Ort und den Prozess des „Spacing", zu deutsch der Raumentwicklung, Lebens-raumbildung oder Raumformation ins Zentrum.

Im relationalen Raumverständnis steht der Mensch im Beobachter-raum dem Natur-, Gesellschafts- oder Wirtschaftsraum gegenüber. Da das Beobachten des Lebens und der Dinge im Raum aber nicht vom Raum getrennt werden kann, sich im Beobachten die Dinge zeigen und verändern, soll der beobachtende Mensch in den hier sogenannten Lebensraum integriert betrachtet, der Beobachtungs- und Denkraum im Lebensraum verortet werden. Das heisst: Menschen, Lebewesen und soziale Güter stehen dann „dem Raum" nicht gegenüber, sondern mitten in ihm, werden von ihm durchdrungen. Das Ganze, welches im kosmischen Raum nicht-lokal präsent ist, wird in Menschen/Lebewesen und sozialen Gütern lokal wirksam, wirklich, der Kosmos damit zum Ort der Orte. Der Netzwerk-Knoten, die Masse und Materie verdängt so nicht „den Raum", sondern zeigt die in Materie kondensierte Information über das Ganze vor Ort.

Als Lebensraum soll der Raum dessen verstanden werden, was für das Leben von Bedeutung ist, worin sich das Leben bewegt, und zwar individuell und überindividuell/institutionell gesehen. Weiter kann das Gesichtsfeld eines Individuums - soweit das Auge reicht - als Arealraum bezeichnet werden, der für das eigene Leben zu einem bestimmten Zeitpunkt von Bedeutung ist. Dynamisiert man diese Vorstellung, so kann der individuelle Lebensraum als Raum-Kontinuum gesehen werden, und zwar im Sinne eines nahtlosen Aneinaderreihens der Orte, worin sich ein Mensch im Laufe des Lebens befindet.

Um dies denkbar zu machen, wird im Sinne der japanischen Vorstellung einer „retiv-topischen" Sozialsystem-Modellierung und eines „topischen Raumverständnisses", die relationale Raum-auffassung zu einer „topisch-henadischen" weiterentwickelt. Bei ihr ist das Verbindende nicht etwas zwischen den Netzwerk-Knoten, sondern das diese durchdringende Feld. Dieses Durchdringende kann im abendländischen und physikalischen Sinne verstanden werden als Information, die sich im Durchdringen von der abstrakten in die kondensierte Form umwandeln und sich materialisieren kann. Die Lebensenergie bewirkt diese Wandlung, die sich dann physikalisch im „Zustand" der Masse zeigt. Dabei durchdringen sich die Lebensprozesse sozusagen ihrerseits, indem sie abhängig von einander und gleichzeitig prozessieren. Analog der Äquivalenz von Energie, Information und Masse (Quantentheorie) können Energie und Information als das betrachtet werden, was an der Stelle der raumeinnehmenden Masse dort präsent bleibt.

Bei diesem Raumverständnis sind also Raum und Kör-per/Masse/Materie nicht, wie im absoluten und relativen Raum, dualistisch zu verstehen und auch nicht als relationale Anordnung von Körpern im Raum. Das retiv-topische Sozialsystem-Modell verweist vielmehr auf einen sozial erlebbaren Raum, welcher als Atmosphäre sinnlich wahrnehmbar ist. Der Raum wird so weder als Zwischenraum noch als Bühne verstanden, sondern als Lebensraum, der in seiner Atmosphäre und Stimmung wirkt.

Indem die vierte Raumvorstellung hier „topisch-henadische Raum-auffassung" genannt wird, betont sie den Aspekt der Ganz-heitlichkeit. Auch die Vertreter der drei anderen erwähnten Raumauffassungen haben sich immer wieder um Ganzheitlichkeit bemüht und damit um ein integrierteres Verhältnis zwischen dem Ganzen und den Teilen, zwischen Kosmos, Makro- und Mikro-kosmos. Im topisch-henadischen Raumverständnis erhält nun Ganz-heitlichkeit ein besonderes Gewicht, denn sie wird nicht nur in der  durchdringenden Verbindung von Körper, Seele und Geist in den Eigenräumen gesehen, sondern auch im Sinne der Nachhaltigen Entwicklung gedacht. Das heisst, sie wird auch in der durchdringenden Verbindung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimensionen in den sogenannten Themenräumen betrachtet. Weiters berücksichtigt sie die Äquivalenz von Information, Energie und Masse/Materie. Dadurch wird das in der japanischen Raumphilosophie entwickelte „topische Raumverständnis" durch abendländische Erkenntnisse erweitert, weshalb es zur begrifflichen Unterscheidung „topisch-henadisch" genannt werden soll.

Das hat Konsequenzen bezüglich einer (ganzheitlichen) Begrifflichkeit und Denkarbeit, welche ausführlich erörtert wird. So muss zum Beispiel Energie im Sinne der drei Dimensionen der Nachhaltigen Entwicklung als Lebensenergie in ihrer

  • ökonomischen,
  • sozialen und
  • physikalischen Form

differenziert und definiert werden, was ja wieder dem alten abend-ländischen Begriffsverständnis von Energie nahe kommt, nämlich als etwas „einer Wirkung Fähiges", als alles, was - auf einer abstrakten Ebene betrachtet - die Entstehung von Wirklichkeit ermöglicht.

Der Lebensraum im topisch-henadischen Raumverständnis kann weiter differenziert werden. Im Unterschied zur relationalen Raumvorstellung ist die Differenzierung aber nicht als ein System-Umwelt-Verhältnis und eine Gegenüberstellung zu betrachten, son-dern als ein Feld-Resonanz-Verhältnis, bei dem sich die Räume durchdringen, und zwar in stufenmässig aufbauender Weise vom Kosmos bis zum Ort hin. Folgende Räume werden in der Studie ausführlich dargestellt:

1. Der als gegeben zu betrachtende Zeit-Raum/Sphärenraum, der auf den Kosmos konstituierend, allumfassend und einheits-stiftend wirkt.
2. Die Themenräume der Nachhaltigen Entwicklung: der Natur-, Gesellschafts- und Wirtschaftsraum, dessen Fragestellun-gen und Gegebenheiten auf die nächsten Raumstufen wirken.
3. Die Eigenräume: der überindividuelle/institutionelle und der individuelle Eigenraum, der Markenraum und der Selbst-/Körperraum. Über sie können Institutionen und Menschen - verglichen mit allen übrigen Räumen - am meisten verfügen und wirken dadurch auf die Lebensräume.
4. Die Lebensräume des überindividuellen/institutionellen Eigenraums: der Kultur-, Wissens- und Arealraum, dessen Fragestellungen und Gegebenheiten auf die Gestaltung des institutionellen Lebensraums Auswirkungen haben.
5. Die Lebensräume des individuellen Eigenraumes: Beobachter- und Denkraum sowie Ort, wo sich alle nicht-lokalen Raumstufen zeigen, örtlich und zeitlich präsent sind.

Vor Ort also verbindet sich Zeit, Raum und Leben. Nachfolgende Abbildung zeigt die ganze Terminologie der topisch-henadischen Raumauffassung auf einen Blick, und zwar in der Mitte die raum-, links die wahrnehmungs-/macht- und rechts die prozessbezogenen. Dies Spirale in der Bildmitte weist auf das Sich-Durchdringen der Eigen- und Lebensräume hin.


Abbildung 1: Kernbegriffe des topische-henadischen Raumverständnisses im Überblick

Nach diesen raum- und ortsbezogenen begrifflichen Klärungen wird auf die prozess- und damit auch organisationsbezogenen Zusammenhänge ausführlich eingegangen und damit dargestellt, wie vom sezierenden Beobachten zum synthetisierenden Handeln fortgeschritten werden kann.

2.3 Geschäfts- und Lebensprozesse

In der topisch-henadischen Raumauffassung stehen Mensch, Lebens-raum und Ort im Zentrum der Betrachtungen. Wenn nun der Aspekt der Zeit dazu kommt, rücken die Raumveränderungsprozesse ins Blickfeld, die hier sogenannten In-Formations- und Trans-Formationsprozesse, also die Umwandlungsprozesse von Infor-mation, Masse/Materie sowie Lebensenergie des in einem Ort Befindlichen. In dieser Studie liegt der Akzent auf der Information, die im Ort und Lebensraum feldhaft denkbar ist, wohingegen Masse und Energie dies auch ausserhalb von Orten sind.

Die genannten Prozesstypen werden in diesem Raumverständnis als gleichzeitig ablaufende, untrennbar miteinander verbundene und sich durchdringenden Prozesse gedacht. Sie können wie folgt unter-schieden werden:

1. Trans-Formationsprozesse:

  • Ökonomische Energien, den Wirtschaftsraum betreffend.
  • Soziale Energien, auf den Gesellschaftsraum bezogen.
  • Physikalische Energien, den Naturraum betreffend.

Diese Prozesse transformieren sich jeweils horizontal, „innerhalb" der eigenen Energieform oder vertikal, hin zu einer anderen Energieform im Eigenraum.

2. In-Formationsprozesse:

  • Im Selbst-/Köperraum: persönlichkeitsbasierte Prozesse/Denk-prozesse des Durchdringens, des Wahrnehmens, Erinnerns etc. des individuellen und überindividuellen/institutionellen Lebens-raumes und des Durchdrungen-werdens von den übrigen Räumen, was sich insgesamt in der gefühlten und analysierten Atmosphäre zeigt.   
  • Im Lebensraum: Menschen, Lebewesen und Soziale Güter betreffende Prozesse der Informations-Kondensation von abstrak-ter über klassische Information bis zur Masse/Materie und zurück, also von der Formation, Formierung, Gestaltentwicklung und von Masse/Materie „zurück" zur gestaltimpliziten Information.

In der topisch-henadischen Raumauffassung und im feldhaft verstandenen Ort steht, wie eben erwähnt, Information im Zentrum. Die In-Formations-Prozesse werden deshalb ausführlich behandelt. Im Praxisteil fokussiert sich die Studie auf das sogenannte Area Spacing. Dabei wird denkend ein Ort durchdrungen und planend verändert. Das Handeln (der sinnlich wahrnehmbare der beiden In-Formations-Prozesstypen) gestaltet dann den Ort entsprechend um. So kondensiert gedachte Information in Masse und Materie.

Die nächste Abbildung zeigt überblicksmässig die Trans- und In-Formationsprozesse in vereinfachter Darstellung. Die Pfeile deuten an, dass diese Prozesse gleichzeitig, sozusagen ein- und ausgreifend ablaufen. Sie gehen vom Einzelmenschen in seiner intuitionsgeleiteten Gestaltungsarbeit (gestrichelter Pfeil in der menschlichen Figur) in den Eigenräumen aus und wirken vor Ort in den Lebensräumen. Den  primären und sekundären Geschäftsprozessen einer Organisation/Institution entsprechen die ökonomischen, sozialen und physikalischen Trans-Formationsprozesse auf der Ebene des Individuums (horizontale Schleifen in Abbildung). Im Durchdringen der beiden Prozesstypen gestaltet sich dann der Lebensraum eines Menschen und Unternehmens, indem sich Information zu Masse hin materialisiert (gestrichelte Pfeile oben und unten in Abbildung). Dass der Mensch so zentral in der Mitte steht, heisst keineswegs, ihn zum Hyper-Individualisten stilisieren zu wollen, sondern ihn als für sich und das Ganze gleichzeitig verantwortlicher Einzelmensch wieder ins Zentrum des Raumgeschehens zu rücken. Der in der Abbildung gezeigte gestichelte Kubus bedeutet, dass hier die menschenmögliche Gestaltungsarbeit im Eigenraum von Individuum und Institution wirksam wird, diese aber auch in Bezug steht zu den Themenräumen. Der Kubus hat also nicht Behältercharakter.


Abbildung 2: Vereinfachte Darstellung der Zusammenhänge zwischen Ort, Prozessen und Räumen mit dem Menschen als für sich und das Ganze verantwortlicher Lebensraum-Gestalter

Dieses Modell ist als Weiterentwicklung des St. Galler Management-Modells zu verstehen und soll die dort festgestellten weltbildinhärenten Begrenzungen hinsichtlich der Realisierung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit überwinden helfen. Dabei werden unter Anderem folgende Aspekte weiter entwickelt:

  • Die im Kern zweidimensionale Vorstellung des St. Galler Modells wird durch eine räumliche Betrachtungsweise erweitert.
  • Das Modell wird in eine umfassende Raumvorstellung, in einen Stufenraum eingebettet.
  • Das im Zentrum des St. Galler Modells abgebildete, prozesshaft gesehene Unternehmen wird durch das, ebenfalls prozesshaft gedachte, verantwortungsvolle Individuum ersetzt.
  • Indem der Mensch und die menschlichen Beziehungen ins Zentrum gerückt und die Produktions- und Nutzungsprozesse „rückwärts" in den individuellen Eigenraum verlängert werden, wird dessen Mit- und Eigenverantwortung wieder klar verortbar.
  • Das Modell ist im Lebensraum verortet.
  • Die Prozesse der Anspruchsgruppen und des Unternehmens stehen sich und dem Ganzen nicht gegenüber, sondern die Beziehungen der Prozesse untereinander sollen ebenfalls als sich durchdringend verstanden werden.
  • Die Managementprozess-Vorstellung wird um die Dimension des Denkprozesses erweitert.

Was nun die im St. Galler Management-Modell wichtigen Systeme betrifft, so werden diese im topisch-henadischen Raumverständnis der Raumstufe der Eigenräume zugeordnet. Denn im Erkennen von Elementen und Strukturen liegt ja oft auch die Absicht, über solche Zusammenhängen verfügen zu wollen. Das „Worin" der Raumstufe des Eigenraums wiederum stellen die Themenräume dar, die in dieser Studie im Sinne der Nachhaltigen Entwicklung auf die Dimensionen Natur, Gesellschaft und Wirtschaft fokussiert werden.

Man kann sich Systeme als dynamische Gebilde vorstellen, welche die In- und Transformationsprozesse auf ihrem Weg zur Verwirklichung im Lebensraum prägen, durch ihre Struktur, ihre Art der Definition von Elementen und Begrenzungen verdichten. Sie stellen sehr abstrakt betrachtet Beschreibungen der Eigenheiten, Qualitäten von Lebensraum-Gestaltungsfeldern dar.

Wert-/Normsysteme prägen den Kulturraum. Das Muster, die Strategie der Hierarchisierung der Werte zeigt sich dann vor Ort durch die Wirkung der Trans- und In-Formationsprozesse. Die jeweiligen systembezogenen Eigenheiten/Begrenzungen durch-dringen diese Prozesse und mit ihnen die Räume ihrer Wirksamkeit.

Ein System im retiv-topischen Sinne verstanden wirkt vor Ort in der Art, dem Muster der Gestaltung zum Beispiel zwischenmenschlicher Beziehungen und zeigt sich in der Atmosphäre. Die Differenz zwischen Systemen wird dann im Unterschied von Atmosphären feldhaft erkenn- und spürbar.

Die Art der Systemmodellierung betrifft aber nicht nur die Strukturierung „innerhalb" eines Systems, sondern auch jene des Verhältnisses der Systeme zueinander und damit auch der Teilräume des Raumes zueinander. Im Sinne des retiv-topischen Sozialsystem-modells stellt man sich diese nicht als Gegenüber vor, sondern als verortetes Feld.

Die genannten Vorstellungen von In- und Trans-Formation haben nun Konsequenzen bezüglich den klassischen Begriffen von Information und Kommunikation. Die Umsetzung des klassischen Kommuni-kationsmodells im Sinne des retiv-polyzentrischen Sozialsystem-modells hat in der Praxis dazu geführt, dass Denken, Reden und Han-deln immer mehr auseinandergerissen und einander gegen-übergestellt worden sind. Das wird möglich, indem man Energie, Information und Materie im Geiste der klassischen Physik eindimen-sionalisiert und separiert. Im ganzheitlich-nachhaltigen Sinne jedoch soll Kommunikation als jener Prozess betrachtet werden, der das Denken, Fühlen, Reden und Handeln als Aspekte einander durch-dringender Prozesse verstanden werden. Im Denken wandelt sich das Individuum die Welt an, erkennt es das Implizite im Explizierten der Themen- und Eigenräume. Und im Handeln expliziert sich das Denken und Fühlen wiederum vor Ort.

Mehr Glaubwürdigkeit ist hier nicht durch immer feinere Über-wachungs- und Inszenierungsmassnahmen erreichbar, sondern durch das Wiedererlangen von Vertrauen. Dieses jedoch wächst nicht ohne Authentizität. Denn einem sich selbst inszenierenden Schauspieler kann im wirklichen „Lebens-Theater" niemand trauen, denn nicht einmal er selbst weiss heute, welche Rolle er morgen spielen wird.

Es gilt also, die räumlich Distanzierung von Ich und Welt, die ja erst eine bildliche Inszenierung ermöglicht, zu überwinden, was dadurch geschehen kann, dass sich im authentischen Leben Mensch und Raum im Lebensraum durchdringen. Dadurch wird aber in der Komm-unikationsarbeit der Akzent von der Vermittlung von Text und Bild verschoben, und zwar hin zum Gestalten der genannten, einander durchdringenden Lebensprozesse im Eigenraum. Kommunikation heisst also weniger Verbindung schaffen durch Austauschprozesse zwischen Systemen, als vielmehr Menschen, Lebewesen und soziale Güter im Lebensraum in sich durchdringenden Umwandlung-sprozessen zu verbinden.  

Nachfolgende Abbildung stellt nun dar, worin sich das im Durch-dringen Verbindende im Arealraum zeigt. Es sind die im Pfeil einge-schriebenen Aspekte Raumnutzen, Raumgestaltungsleitbild und Raumbild, welch Letzteres zur Verdeutlichung seiner Ausschnitt- und Bildhaftigkeit von einen Bilderrahmen eingefasst wird. Die Aus-prägung, die Strategie dieser Aspekte ist abhängig vom Kulturraum, von der dort herrschenden Wert-/Normhierarchie, die ihrerseits vom umfassenden Lebensraum-Gestaltungsfeld bestimmt wird.


Abbildung 3: Vereinfachte Darstellung der raumdurchdringenden Dimen-sionen, welche die Raumatmosphäre vor Ort bestimmen

Die hier ausgearbeiteten Weiterentwicklungen der heute im europäisch-nordamerikanischen Raum dominierenden Raum-, Prozess- und Systemvorstellungen und der dazugehörenden Welt-bilder haben Konsequenzen für die Praxis, was im zweiten Hauptteil der Studie am Beispiel des Marketing-, Kommunikations- und Markenmanagements erörtert wird.

2.4 Praxis des Spacing-Management und Sustainable Branding

In der vorliegenden Studie stehen die Raumgestaltung, -entwicklung oder -formation im Zentrum. Denn gerade im Dienstleistungs-marketing wie auch beim sinnlich Wahrnehmbar-Machen von Unternehmenskultur und -identität, ist die Raumgestaltung bisher in Theorie und Praxis eher unterschätzt worden. So ist es eines der Hauptziele der Studie, theoretisch darzulegen, wie man „Raumatmosphäre" beschreiben und wie man in der Praxis im Arealraum bewusster gestalterisch vorgehen kann.

Die selbstentwickelte und in der Praxis in eigenen Projekten mehrfach eingesetzte Methode wird „Spacing" genannt. Unter diesem aus der Raumsoziologie stammenden Begriff soll der dem menschlichen Denk- und Wahrnehmungsprozess folgende Gestaltungsprozess verstanden werden, der - auf dem topisch-henadischen Raum-verständnis basierend - Atmosphären gestaltet. Die Raumatmosphäre zeigt dann die Persönlichkeit des Raumeigners. Eigner, Nutzer und Gestalter von Orten sollen als gleichberechtigte Partner des Gestaltungsprozesses betrachtet werden, und zwar mit dem Zweck, einen ganzheitlich-nachhaltigen Raumeindruck zu realisieren.

Die Raumformation, das Spacing als Prozess zeigt sich einerseits im Arealraum und andererseits im Wissensraum. Im ersten Fall wird er Area Spacing genannt, im zweiten Human Spacing. Beide leiten sich aus den Gegebenheiten des Kulturraums ab.

Das Area Spacing wird je nach Anwendungsgebiet weiter unter-schieden in:

  • Corporate Spacing, (Industry, Services): Areal-/Gebäude-entwicklung von Unternehmen und Verwaltungen
  • Real Estate Spacing: Immobilienentwicklung
  • Public Spacing: Stadtentwicklung, Raumplanung
  • Hospitality Spacing: Hotel, Restaurant, Altersheime und -residenzen
  • Shop Spacing: Verkaufsraumentwicklung
  • Private Spacing: Private Wohnung.

Das Human Spacing zielt auf die Persönlichkeitsentwicklung des Individuums, befasst sich mit den Strategien der Wissens-raumgestaltung und versucht diese im Denk- und Beobachterraum bewusst zu machen und allenfalls zu optimieren. Auch wenn im Praxisteil aus Gründen der Kompetenz des Autors dieser Studie der Akzent auf das Area Spacing gelegt wird, muss stets bewusst bleiben, dass diese beiden Spacing-Prozesse nicht getrennt werden können und dürfen und dass der eigenverantwortlichen Persönlichkeits-Gestaltungsarbeit (Bildung) eine ganz zentrale Bedeutung zukommt.

Die Wirkung des Spacing zeigt sich in einer Veränderung der Atmosphäre, des Klimas, der Qualität der Raumgestaltung und darin, dass sich relevante Menschen und Gruppen nachhaltig an andere Menschen, Institutionen und deren Aktivitäten erinnern können. Die Analyseinstrumente bezüglich Atmosphäre, Qualität und die Mög-lichkeiten der Marktforschung werden ausführlich dargestellt. Letztere ist deshalb wichtig, weil sie den Nutzern eine Stimme verleiht und auch ein „Wirkungscontrolling" ermöglicht. Schliesslich wird im Rahmen der Behandlung des Corporate Spacing die Brücke zur Markenführung geschlagen und die Wichtigkeit eines „Sustainable Brandig" betont.

In einem persönlich gehaltenen Schlusswort bringt der Autor zunächst die Problematik des Verhältnisses von Inszenierungen und Authentizität zur Sprache. Unter dem Aspekt der Sicherheit wird schliesslich in die politische Dimension der hier behandelten Themen vorgestossen, indem der in dieser Studie im Zentrum stehende Unternehmens-Kulturraum verlassen und die Kulturräume im globalen Zusammenhang betrachtet werden. Es wird deutlich, dass man den befürchteten „Krieg der Kulturen" geradezu heraufbeschwört, wenn es nicht gelingt, das Sicherheitsgefühl im eigenen Lebensraum auszubauen.

Denn offenbar gilt: Je mehr der Nationalstaat multikulturell wird, desto weniger kann er kulturelle „Sicherheit" gewähren, weshalb sich die Politik und Staatsverwaltung auf das Gewährleisten einer gewissen materiellen Sicherheit zurückziehen. Doch auch Wirtschaftsunternehmen können diese kulturelle Sicherheit nicht bieten, nicht etwa, weil sie es nicht als ihre Aufgabe ansähen, sondern weil sie selber ein Teil des Problems sind. Denn je grösser und globaler tätig eine Firma ist, desto mehr fordert und fördert sie den flexiblen Menschen, der ja positionslos werden muss, wenn er die täglichen Veränderungen positiv gestimmt mitmachen soll. Als Belohnung dafür erhält er immer mehr Geld, wird dadurch daran gewöhnt, monetäre Sicherheit als Ersatz für kulturelle Sicherheit zu betrachten.

So wird ihm einmal mehr vor Augen geführt, dass „umfassende", kulturelle Sicherheit durch keine Institution gegeben werden kann, sondern dass jeder Mensch diese für sich selber „finden" muss, wozu hier der Weg der Persönlichkeitsbildung vorgeschlagen wird, bei der er sich Klarheit schafft über seine Position in der Welt, sein Weltbild etc. Das Human und Corporate Spacing stellen Methoden und Instrumente dazu zur Verfügung, aber „suchen und finden" muss es jeder selbst.

Gerade die Arealraumgestaltung stellt hier aber eine hervorragende Chance dar, in der bewussten eigenen Arbeit an der sinnlich wahrnehmbaren Gestaltung der Privat- und Firmenräume die abstrakten und sinnlich nicht wahrnehmbaren Zusammenhänge im Wissens- und Kulturraum herauszuarbeiten und zu vertiefen zu lernen.

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Kommentar

  1. Anonym sagt:

    Sg. Hr./Fr. "Pfister",

    Ich finde Sie grenzgenial!!!!!!!!!! Dürfte ich den Leser dieser Nachricht ersuchen mir Literaturhinweise zu übermitteln. Ich bin nicht der Typ der in Foren liest, sondern gerne ein Buch in der Hand hat.

    Hochachtungsvoll

    Christina Prisching

    c.prisching@gmx.at